Das Institut für digitale Teilhabe an der Hochschule Bremen
Die Digitalisierung betrifft in einem gewissen Grad alle Menschen. Aber wie können auch jene an der digitalen Welt partizipieren, denen der Zugang aufgrund von persönlichen Einschränkungen erschwert wird? Um sich dieser Frage der digitalen Teilhabe anzunehmen, gründeten der ehemalige Bremer Staatsrat und IT-Planungsratsvorsitzende Henning Lühr gemeinsam mit Prof. Dr. Benjamin Tannert von der Hochschule Bremen das „Institut für digitale Teilhabe“. Das Hauptaugenmerk des Instituts liegt neben Forschung und Lehre auf anwendungsbezogenen Projekten in Wirtschaft und Verwaltung. Angeboten werden Unterstützung, Prozessbegleitung und Beratungsleistungen bei Projekten zu barrierefreien Verfahren sowie Schulungen, Workshops und Vorträge. Dabei liegen die Schwerpunkte zunächst auf der Integration von Menschen mit Behinderungen in die sich wandelnde Arbeitswelt sowie auf dem barrierefreien Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen.
Der Schlüssel zur erfolgreichen Verwaltungsdigitalisierung liegt in der Nutzerorientierung
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sieht vor, dass bis Ende 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen online angeboten werden können. Dabei sollen die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen, um die Leistungen einfacher zugänglich zu machen. Die Verankerung der Nutzerperspektive stellt aber auch heute noch viele Verwaltungen vor Herausforderungen – insbesondere die Frage, wie genau man die Nutzerinnen und Nutzer in den Entstehungsprozess integrieren kann. „Niemand möchte Angebote präsentieren, die später nicht nutzbar und nicht funktional genug sind!“ sagt Henning Lühr. „Gut gemeint ist häufig leider nicht zwangsläufig auch gut gemacht.“ Um dieses „gut machen“ zu ermöglichen, möchte das „Institut für digitale Teilhabe“ einen Beitrag zur besseren Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer leisten. Dazu gehört insbesondere der Abbau von möglichen Barrieren wie der erschwerten Lesbarkeit von Texten oder der fehlenden Unterstützung von Hörgeschädigten. Der Anspruch des Instituts ist es bewusst nicht, Technologien umzusetzen, sondern wissenschaftliche Impulse zur Umsetzung zu geben.
Interdisziplinarität als Erfolgsfaktor
Die Idee zur Gründung des Instituts stieß innerhalb der Hochschule Bremen auf großen Zuspruch. Insbesondere die praxisorientierten Ansätze haben laut Professor Lühr dazu angeregt, eigene Vorstellungen einzubringen und den Gestaltungsprozess dadurch zu beschleunigen. Das Institut möchte einerseits die Sicht einer breiten Bevölkerung einbringen, andererseits auch eine interdisziplinäre Perspektive. So vereinen sich im Institut die Fachrichtungen Verwaltungswissenschaften, Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft und angewandte Medieninformatik. Diese breite Expertise ermöglicht es, praxisnahe Empfehlungen zu entwickeln.
Von der Idee in die Umsetzung
Aktuell verfolgt das „Institut für digitale Teilhabe“ mehrere Projektideen:
- User-Tests für mehr Barrierefreiheit: In einem multifunktionalen Testzentrum soll ein Pool an Testpersonen aufgebaut werden, welche durch Anforderungsanalysen und Tests die Umsetzung von Barrierefreiheit in Projekten begleitet und zukünftige Standards entwickelt. Dabei wird auf eine vielfältige Zusammenstellung der Test-Teams geachtet, um verschiedene Arten an Beeinträchtigungen, aber auch verschiedene Altersgruppen und deren Bedürfnisse abzubilden.
- Modul „Digitale Barrierefreiheit – Teilhabe für alle“ für den „eGov-Campus“ des IT-Planungsrates: Durch dieses Curriculum soll eine Grundlage für Hochschuldidaktik und fachpraktische Ausbildung geschaffen werden. Hierbei wird ein besonderer Fokus auf bedarfsorientierte Mittel und Methoden bei den verschiedenen Arten von Einschränkungen gesetzt. Die Kurse werden kostenfrei angeboten und können in die wissenschaftliche Lehre der Universitäten und Fachhochschulen integriert werden.
- Digitale Bürgerbeteiligung für alle: In diesem Projekt soll prototypisch eine Zukunftswerkstatt mit Fokus auf Standards für Möglichkeiten und Instrumente der Bürgerbeteiligung geschaffen werden. Die technische Barrierefreiheit soll hierbei nur eine der Voraussetzungen sein. Zusätzlich soll es auch um die Ansprache und Motivation bisher unterrepräsentierter Gruppen gehen. Unterstützt wird das Institut hierbei durch die Bürgerstiftung Bremen.
- Handbuch „Digitale Teilhabe und Barrierefreiheit für die digitale Verwaltung“: Dieses Handbuch setzt den Fokus auf die Gestaltungsmöglichkeiten und Vorteile der digitalen Teilhabe und wie diese zu einer inklusiveren Gesellschaft führen können.
Im Institut wird momentan erforscht, in welchen Bereichen Barrieren existieren. Neben den offensichtlichen Einschränkungen wie z.B. beeinträchtigtes Sehvermögen können auch zu komplexe Testformulierungen die Nutzung der Angebote behindern. Dementsprechend wichtig ist auch die Vielfalt an Nutzerinnen und Nutzern im Testlabor. Darauf aufbauend werden im Institut die Konzepte zu den geplanten Projekten detaillierter ausgearbeitet und vorangetrieben. Einen vertiefenden Einblick in die Zukunft des Instituts gewährte Prof. Henning Lühr im Videointerview.
Autorin des Beitrags ist Franziska Stader.