Die Digitalisierung der Landregion
Digitalisierung ist weit mehr als die Ablösung des Handys durch das Smartphone. Das Umfeld der Menschen verändert sich immer stärker, wird digitaler. Informationen sind leichter zugänglich für Bürgerinnen und Bürger, bisherige analoge Angebote wie Fahrpläne und Ticketverkauf werden auch digital zugänglich. Für Städte hat sich für diese Entwicklung die Bezeichnung „Smart City“ gefestigt. Aber wie kann die „smarte Dorfgemeinde“ aussehen? Wie soll das Dorfleben der Zukunft gestaltet werden und wie kann Digitalisierung dazu beitragen? Mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse im ländlichen Raum durch Digitalisierung zu unterstützen, initiierte die Professorin Diane Ahrens vom Technologie Campus Grafenau der Technischen Hochschule Deggendorf gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie das Modellprojekt „Digitales Dorf“. Die südbayerischen Dörfer Spiegelau und Frauenau setzten sich im Auswahlprozess durch. In diesen beiden Modelldörfern wird nun gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern die Digitalisierung vorangetrieben. Die eingesetzten Dienste basieren dabei auf der Online-Plattform „Dahoam 4.0“.
Erste Angebote machen Lust auf weitere Ideen
Die Einbindung der Bevölkerung ist aus Sicht der Initiatorinnen und Initiatoren der entscheidende Erfolgsfaktor für Digitalisierungsprojekte. Aus diesem Grund fiel von Projektbeginn an die Entscheidung für einen Bottom-Up-Ansatz: Probleme aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer betrachten und diese aktiv in die Suche nach Lösungen einbinden. Die Angebote müssen dann dementsprechend auch so nutzerfreundlich sein, dass sie als erlebbarer Fortschritt wahrgenommen werden und Lust auf weitere Ideen machen. Vorbereitend auf die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger wurden daher vom begleitenden Forschungsteam und den Kommunen mehrere zu priorisierende Handlungsfelder festgelegt, unter anderem: Gesundheit, Mobilität, Bildung, Arbeit und Tourismus.
Den großflächigen Start des Modellprojekts in den Dörfern markierte eine Auftaktveranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger, im Rahmen derer die Idee des „Digitalen Dorfes“, der Plattform „Dahoam 4.0“ und die Strategiefelder vorgestellt wurden. Bereits diese erste Veranstaltung erfuhr eine sehr positive Resonanz aus der teilnehmenden Bevölkerung. In der Folge wurden erste Arbeitskreise aus Bürgerinnen und Bürgern gebildet, welche zu den jeweiligen Arbeitsthemen nähere Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten definierten.
Die Verstetigung der ersten Erfolge
Nach den ersten Erfolgen sollten auch weitere, der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehende Teile der Bevölkerung eingebunden werden. Trotz insgesamt wachsender Digitalisierungseuphorie sollte man nicht vergessen, dass weniger digitalaffine Gruppen digitale Angebote eher zurückhaltend annehmen. Um auch sie zu erreichen, müssen die Bürgerinnen und Bürger zunächst verstehen, worum es bei den Digitalisierungsvorhaben geht und sich in ihren Zweifeln und Ängsten ernst genommen fühlen. Anschließend gilt es, diese gemeinsam auszuräumen. So führte Professorin Ahrens im Fachgespräch aus: „Damit unsere Seniorinnen und Senioren nicht abgehängt werden, haben wir gemeinsam mit ihnen passgenaue Weiterbildungen konzipiert. Die Nachfrage war riesig. Besonders die 14-tägige Sprechstunde zu Problemen rund um Handy, Laptop & Co. wurde intensiv genutzt. Um das Angebot zu verstetigen, haben wir versucht, die Nutzerinnen und Nutzer so weit zu bilden, dass sie sich untereinander unterstützen und selbstständig Lösungen finden können. Inzwischen gibt es beispielsweise einen Seniorenstammtisch, bei dem technische Schwierigkeiten, Tipps & Tricks besprochen werden.“
Hilfe zur Selbsthilfe! Und wenn die Bürgerinnen und Bürger sich selbst helfen können, dann können sie auch ihrem Dorf helfen. Im Digitalen Dorf geschieht dies beispielsweise bei den breit angelegten Nutzerbefragungen und -tests für die Entwicklung neuer digitaler Dienste – der Apps.
Eine Plattform, um alle Dienste zu binden
Unter dem Titel „Dahoam 4.0“ wurde vom Technologie Campus Grafenau eine Plattform geschaffen, auf deren Basis neue digitale Dienste entwickelt und miteinander vernetzt werden können. Die Dienste wurden dabei bewusst in mehrere eigenständig funktionierenden Apps wie die Rathaus-App, Schul-App, Vereins-App und Wisch-App unterteilt, da die Nutzergruppen und deren Interessen sich unterscheiden. Eine der ersten Entwicklungen war die „Wisch-App“, in welcher der Aufbau und die Funktion der Apps erklärt und die für Senioren ungewohnte Wisch-Bewegung geübt werden kann. Dahinter steckt auch ein großer Eigenanspruch an die Qualität und Nutzerorientierung der Lösungen, denn „Standardlösungen helfen nur bedingt weiter. Zudem haben viele Kommunen weder eine digitale Strategie noch eine Roadmap. Daher gehen wir mit Kommunen deren individuelle Herausforderungen und Ziele durch, um passgenaue, digitale Lösungen entwickeln bzw. vorschlagen zu können. Allerdings ist Digitalisierung kein universeller Problemlöser.“ Dies zeigte sich unter anderem bei der Dorfbus-App, bei der die Zielgruppe (insbesondere Seniorinnen und Senioren) sich wünschte, die Rufbuszentrale auch telefonisch erreichen zu können. Also wurde sowohl der Zugang per App als auch die Kontaktaufnahme per Telefon ermöglicht. Beispiele wie dieses zeigen die Bedeutung sukzessiver Entwicklung und die Notwendigkeit, eine Wissensbasis bei den potenziellen Nutzerinnen und Nutzern zu schaffen. Dadurch verbreitert sich die Akzeptanz, da der Entwicklungsfortschritt für die Bevölkerung stärker bemerkbar wird – insbesondere dann, wenn sie in diesen Fortschritt miteingebunden wird und eigene Ideen im Endprodukt wiederfindet. Das motiviert zu weiterer Beteiligung und lässt die Bürgerinnen und Bürger nicht außen vor.
Was kann man also mitnehmen?
Bei der Umsetzung der digitalen Transformation empfiehlt Professorin Ahrens an drei Dimensionen anzusetzen, um die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger sicher zu verankern:
- Partizipation: Gezielte Umfragen und direkte Einbindung – Fortschritte müssen erlebbar gemacht werden.
- Information: Aktuelle und zeitnahe Verbreitung von Informationen, damit die Bevölkerung über die momentanen Entwicklungen im Bilde ist und aktiv mitwirken kann.
- Kommunikation: Das Schaffen eines direkten Drahts, der ein solches aktives Mitwirken ermöglicht.
Weitere Einblicke in die unterschiedlichen Bereiche, bisherigen Lösungen und weiteres Informationsmaterial finden Sie auf der Projektwebseite dahoamviernull.de.
„Angebote wie die ‚digitalen Infotafeln‘ sind eine Bereicherung für unser Dorfleben und werden sehr gut angenommen.“
Die Autorin des Beitrag ist Franziska Stader.