Organisationsstrukturen werden (weiter-)entwickelt
Eine Strategie dient als Kompass und bietet Orientierung für die digitale Transformation. Für deren (Weiter-)Entwicklung und die Umsetzung darin formulierter Ziele und Maßnahmen sind gute Strukturen und klare Verantwortlichkeiten essenziell.
Die Antworten der befragten Kommunen machen zwei Dinge deutlich. Erstens: Deutschlands Kommunen entwickeln ihre Organisationsstrukturen für die Gestaltung der digitalen Transformation (weiter). Zum Zweiten lassen sich deutliche Parallelen zu den Schwerpunkten der Digitalisierungsstrategien feststellen. In den vergangenen Jahren haben die Kommunen recht klare Strukturen und Verantwortlichkeiten für die Verwaltungsdigitalisierung etabliert – über 90 % der kreisfreien Städte und etwa 80 % der Kreise und kreisfreien Städte haben hierfür entsprechende Strukturen und Verantwortlichkeiten geschaffen. Je nach Gebietskörperschaft sind derzeitig zwischen 2 % und 19 % noch dabei (siehe Abbildung 3).
Betrachtet man den Aufbau im Zeitverlauf, so wurden Strukturen und Rollenverantwortungen für die Verwaltungsdigitalisierung überwiegend in den letzten fünf Jahren getätigt. Die Kommunen haben also organisatorisch auf die mit der Umsetzung des Onlinezugangs- und der E-Government-Gesetze einhergehenden Veränderungen in der Arbeitsweise der Verwaltungen reagiert, indem sie Verantwortlichkeiten und Strukturen etabliert und angepasst haben. Auch aktuell werden weiterhin an verschiedenen Stellen weitere Strukturen und Verantwortlichkeiten geschaffen – beispielsweise befinden sich im Bereich der Binnendigitalisierung aktuell knapp 20 % der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in der Etablierungsphase. Vor diesem Hintergrund ist es jedoch verwunderlich, dass – wenn auch in sehr geringem Maße – einige Kommunen angeben, auch in Zukunft keine Strukturen und Verantwortlichkeiten für die Binnendigitalisierung aufbauen zu wollen.
Abb. 3: Etablierung von Strukturen und Verantwortlichkeiten im Zeitverlauf
Ein heterogeneres Bild ergibt sich bei der digitalen Daseinsvorsorge. Während 55 % der kreisfreien Städte in den vergangenen zwei bis fünf Jahren bereits entsprechende Strukturen und Verantwortlichkeiten geschaffen haben, waren es nur fünf Prozent der kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie vier Prozent der Landkreise. 14 % der kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie 13 % der Landkreise sind im Aufbau der Strukturen im Bereich der digitalen Daseinsvorsorge. Die Etablierung von Strukturen und Verantwortlichkeiten wird nun also noch stärker die digitale Daseinsvorsorge einschließen – ergänzend zu bestehenden Strukturen in der Binnendigitalisierung. Die kreisfreien Städte gehen dabei voran, Kreise und kreisangehörige Städte und Gemeinden folgen – teilweise mit einer gewissen Zurückhaltung. Denn immerhin ein Viertel der kreisangehörigen Städte und Gemeinden bzw. Landkreise haben bisher (noch) keine Organisationsentwicklung für die digitale Daseinsvorsorge geplant. Weitere knapp 25 % trauen sich hier keine konkrete Aussage zu.
Es gibt nicht DIE eine Organisationsstruktur
Die Befragung der Kommunen zeigt dabei deutlich: Die eine Lösung für eine effiziente Organisationsstruktur gibt es nicht! Je nach Ausgangslage und Anforderungen entscheiden sich die Kommunen für die Einsetzung unterschiedlicher Akteure und Rollen zur Umsetzung der Binnendigitalisierung sowie der digitalen Daseinsvorsorge. Hierzu zählen zum einen Chief Digital Officer (CDOs) bzw. Digitalisierungsbeauftragte, die als zentrale Digitalisierungsverantwortliche und als das „Gesicht nach außen“ agieren. Zum anderen sind die Chief Information Officer (CIOs) zu nennen, deren Fokus als zentrale IT-Verantwortliche bzw. interne Ansprechpartnerinnen und -partner für die digitale Verwaltung auf der digitalen Verwaltungsmodernisierung liegt. Eine weitere Möglichkeit stellt die Einführung einer Stabsstelle für Digitalisierung dar, die als spezialisierte Einheit die digitale Transformation in den Ämtern und Fachbereichen vorantreibt. Sie ist nicht in die klassische Hierarchie der Verwaltung eingebunden, sondern meist direkt bei der politischen Leitung bzw. Hausspitze angesiedelt. Um sicherzustellen, dass die digitale Transformation in die einzelnen Organisationseinheiten hineingetragen wird und deren Bedarfe wiederum in die Gestaltung einfließen, eignet sich der Einsatz von Digitallotsinnen und -lotsen. Sie agieren koordinierend und als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den jeweiligen Abteilungen und Fachbereichen. Als weitere Akteure sind eigene Querschnittsämter bzw. -abteilungen sowie eigene Fachämter und Abteilungen zu nennen. In einigen Kommunen wird zudem die Verantwortung für die Umsetzung des digitalen Wandels in eine Digitalagentur ausgelagert, die meist auf die Zusammenarbeit über die Grenzen der Verwaltung hinaus ausgerichtet ist. Wie die vorgestellten Akteure in den Organisationsstrukturen der Kommunen jeweils eingesetzt werden, ob sie strategisch/inhaltlich steuernd oder unterstützend agieren, ist in Abbildung 4 dargestellt.
Verwaltungsleitung und CDOs geben die Richtung vor
Für die Gestaltung der digitalen Transformation wurden wie oben beschrieben unterschiedliche Rollen in den Kommunen etabliert. Grundlegende Einigkeit besteht kommunenübergreifend bei der hohen Relevanz sowohl der politischen Leitung als auch der CDOs bzw. Digitalisierungsbeauftragten als strategisch-steuernde Akteure. Der detaillierte Blick in die Rollenverteilung bei der Binnendigitalisierung (siehe Abbildung 4, S. 15) zeigt: Neben Hausspitze und CDOs bzw. Digitalisierungsbeauftragten wird die Stabsstelle Digitalisierung auf der strategischen und steuernden Position angesiedelt. Zeitgleich sind Stabsstellen für die Digitalisierung zum derzeitigen Zeitpunkt anscheinend erst in wenigen Kommunen etabliert. 48 % geben bei der Binnendigitalisierung an, die Rolle existiere derzeitig nicht, 31 % sind es bei der digitalen Daseinsvorsorge. Die CIOs bzw. Leiterinnen und Leiter IT sind sowohl strategisch als auch operativ eingebunden. Die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung wird insbesondere durch kommunale IT-Dienstleister sowie durch Querschnittsämter, die jeweiligen Fachämter (inkl. Digitallotsinnen und -lotsen) und Fachbereiche im Querschnitts- bzw. Fachamt operativ gesteuert bzw. unterstützt.
Im Vergleich dazu ist die Rollenverteilung bei der digitalen Daseinsvorsorge offenbar weniger klar. Dies zeigt sich im vergleichsweise hohen Anteil (>40 %) an Antworten mit „keine Angabe möglich“ oder „keine aktive Rolle“. Die strategische Steuerung wird insbesondere von der Hausspitze und den CDOs/Digitalisierungsbeauftragten wahrgenommen. Die operative Umsetzung ist im Vergleich zur Verwaltungsdigitalisierung weniger klar verortet. Die wichtigsten Akteure sind hier auf der kommunalen Ebene die eigenen Fachämter für die Digitalisierung, die CIOs bzw. Leiterinnen und Leiter IT, eigene Querschnitts- bzw. Fachämter sowie die kommunalen IT-Dienstleister – im Vergleich zur Binnendigitalisierung ist der Einsatz dieser Akteure schwächer ausgeprägt als bei der digitalen Daseinsvorsorge. Sofern eine Digitalagentur vorhanden ist – die grundsätzlich aktuell jedoch kaum eine Rolle spielt – nimmt sie strategisch-steuernde Aufgaben wahr.
Damit Verbindlichkeit und Gestaltungsfähigkeit ermöglicht werden können, reicht es nicht, die Fach- und Querschnittsämter lediglich zu installieren. Es braucht zudem regelmäßige, institutionalisierte Abstimmungen mit der Verwaltungsleitung. Denn laut der Umfrage wird eine dezentrale Verteilung der Digitalisierungsverantwortung auf verschiedene Fachbereiche – und damit eine Fragmentierung – von der Hälfte der Befragten als nicht sinnvoll erachtet. Durch eine regelmäßige Information der Verwaltungsspitze können jedoch zielgerichtete Entscheidungen getroffen werden, sodass eine gemeinsame Strategie- und Netzwerkfähigkeit entsteht. Das wiederum gibt den handelnden Akteurinnen und Akteuren den notwendigen Rückhalt und fördert Innovation.
Operative Umsetzung nicht ohne die Fachabteilungen
Der Blick auf die breite Anzahl an Akteuren macht deutlich: Die Gestaltung der digitalen Transformation ist ein Querschnittsthema und braucht daher alle Fachämter/-bereiche der Verwaltung! Klare Strukturen und Rollen sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Umsetzungsebene unterstützen die Steuerung, Koordination und Umsetzung der digitalen Transformation. Gleichzeitig braucht es die enge Verknüpfung mit den Fachämtern. Die Fachämter werden daher von den befragten Kommunen sowohl bei der internen Binnendigitalisierung als auch bei der digitalen Daseinsvorsorge als (sehr) relevant eingeordnet (75 %). Verknüpfungen mit den fachlich kompetenten und verantwortlichen Personen in den Fachämtern zu bilden, ist für die strategisch handelnden Akteure von hohem Nutzen und zwingend notwendig. Dabei agieren die Fachämter oft auch als Schnittstelle zwischen den übergeordneten Akteuren und der restlichen Verwaltung: Sie tragen einerseits Impulse in die Verwaltung hinein und stellen die Wissensvermittlung sicher. Andererseits kennen sie die zu berücksichtigenden Themenfelder aus der Verwaltung und tragen sie auf die Ebene der übergeordneten Akteure. In ihrer Rolle werden die Fachämter und -abteilungen sowohl bei der Binnendigitalisierung als auch bei der Digitalen Daseinsvorsorge operativ-inhaltlich unterstützend verortet.
Gestaltung der digitalen Daseinsvorsorge braucht den Blick über den Tellerrand
Insgesamt weist der hohe Anteil an Kommunen, die es bei Fragen zur digitalen Daseinsvorsorge vorziehen, keine Angabe zu machen, auf eine Unsicherheit in Bezug auf die Bedeutung der digitalen Daseinsvorsorge hin. Die große thematische Breite stellt Kommunen vor die Herausforderung: Wo fängt digitale Daseinsvorsorge an und wo hört sie auf? Problematisch wird es, wenn diesen Fragen weder strategisch noch strukturell begegnet wird. Sowohl Verwaltungsdigitalisierung als auch digitale Daseinsvorsorge sind mit starken Chancen verbunden und sollten nicht nur als umzusetzende (gesetzliche) Verpflichtungen verstanden werden. Digitale Lösungen und Angebote eröffnen neue Gestaltungsspielräume in die Verwaltung hinein und deutlich weiter darüber hinaus, als es bislang oft praktisch gelebt wurde. Externe Akteurinnen und Akteure bedeuten gut organisiert nicht mehr Aufwand, sondern Impuls und im besten Falle Entlastung. Durch ihr praktisches Know-how der Bedingungen vor Ort bzw. in konkreten Projekten fließen Innovation und Kenntnisstand der nötigen Hilfsmittel zur Erreichung von Meilensteinen direkt mit ein. Um die Sichtbarkeit nach innen und außen zu gewährleisten und zu steuern, braucht es klare Zuständigkeiten. Hier agiert die Kommune als Leitung und in Vorbildfunktion: Wenn die Zuständigkeiten und Strukturen innerhalb der Kommune geklärt sind, ist es leichter, trotz einer Vielzahl an externen Akteurinnen und Akteuren organisiert miteinander zu arbeiten.
„Wir im Kreis Groß-Gerau haben für jedes unserer 60 Ämter als ersten Schritt Digitalisierungslotsinnen und -lotsen benannt. Sie lotsen mit durch die Digitalisierung – d. h. sie koordinieren und bündeln die Themen kommunikativ, nehmen an Schulungen teil, sind projektinvolviert und kommen in unterschiedlichen thematischen Austauschrunden zusammen. Der Aufwand liegt dabei zwischen einer bis höchstens vier Stunden in der Woche. Die Initiierung erfolgte dabei sowohl durch eine Bewerbungsmöglichkeit als auch durch Nominierung durch die Abteilungsleiterinnen und -leiter, um sicherzustellen, dass jeder Fachdienst letztlich abgedeckt ist.“
Sabine Bachmann, Stabsstellenleiterin Digitale
Verwaltung des Landkreises Groß-Gerau
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