Eine CDO für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld
Die Gestaltung der digitalen Transformation stellt viele Behörden und Verwaltungen vor organisatorische Herausforderungen. Wesentliche Fragen sind hierbei: Wo sollte die Zuständigkeit für die Digitalisierung angesiedelt werden? Welche Organisationsstrukturen bieten sich überhaupt an? Wer kann diese Aufgabe übernehmen? Und wie gelingt die Zusammenarbeit bei einem solch zentralen Querschnittsthema?
In den vergangenen Jahren haben sich unterschiedliche Ansätze, Rollen und Funktionen herausgebildet. In diesem Zusammenhang wurden Stellen für Chief Digital Officer und Digitalisierungsbeauftragte geschaffen. Je nach Ausgestaltung und Stellenbeschreibung können beide Bezeichnungen synonym verwendet werden oder auch unterschiedliche Aufgabenprofile umfassen. Ist das grundsätzliche Stellenprofil formuliert, müssen geeignete Kandidat*innen gefunden werden – nicht immer eine leichte Aufgabe. Der Trendreport hat sich das Beispiel des Landkreises Anhalt-Bitterfeld einmal genauer angesehen und hierfür mit Sabine Griebsch, CDO des Landkreises, gesprochen.
Chief Digital Officer: Was verbirgt sich hinter dieser Rolle?
Die Rolle eines CDO entstammt ursprünglich der Privatwirtschaft und stellt eine in den letzten Jahren neu geschaffene Führungsposition dar, die sich der Gestaltung der Digitalisierung widmet. Die Handlungsbereiche können dabei sehr breit gefächert sein und ergänzen sich gegenseitig: vom Auf- und Ausbau digitaler Geschäftsmodelle, der Entwicklung neuer digitaler Lösungen und Produkte bis hin zu unternehmensinternen Digitalisierungsprojekten und dem Aufbau notwendiger Kompetenzen. Vor dem Hintergrund dieser querschnittsorientierten Gestaltungsaufgabe wird die Funktion in der Regel mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet und oftmals auf den höchsten Hierarchieebenen verankert.
Seit einigen Jahren findet die Funktion des CDO verstärkt Eingang in die Verwaltungen, um die Digitalisierung voranzutreiben und zu steuern. Das konkrete Aufgabenprofil unterscheidet sich oftmals hinsichtlich der identifizierten Herausforderungen und Handlungsfelder. Im Fokus derzeitiger Digitalisierungsprojekte stehen oftmals die Umsetzung der Regelungen von E-Government-Gesetzen oder des Onlinezugangsgesetzes. Damit werden sowohl digitale Verwaltungsleistungen für Bürger*innen und Unternehmen als auch die Binnendigitalisierung von Verwaltungsprozessen adressiert. Als ganzheitliche Gestaltungsaufgabe verstanden reicht die Digitalisierung aber über die Verwaltungsgrenzen hinaus. Im Aufgabenprofil eines CDO schlägt sich dies in der Entwicklung und Umsetzung digitaler Strategien sowie von Smart City- bzw. Smart Region-Konzepten nieder, was eine gute Koordination und Vernetzung unterschiedlicher Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einschließt. Um diese Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen, haben sich unterschiedliche Strukturen zur Verortung eines CDO herausgebildet: Möglichkeiten bieten sich von der Einrichtung einer Stabsstelle über die Erweiterung eines bestehenden Fachbereichs bis hin zur Etablierung einer Projekt-Matrix-Struktur.
Auch der Landkreis Anhalt-Bitterfeld möchte die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen für die Entwicklung des eigenen Landkreises nutzen. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Herausforderungen und der vielfältigen Aufgaben wurde die Stelle eines CDO geschaffen. Ziel war es, sowohl die Binnendigitalisierung als auch die kreisweite Digitalisierung nachhaltig voranzutreiben. „Der Landrat hatte da ganz klare Vorstellungen“, sagt Sabine Griebsch, die die Funktion heute innehat. Der Weg zur Besetzung der Stelle gestaltete sich allerdings schwieriger als ursprünglich gedacht.
Warum der Landkreis Anhalt-Bitterfeld eine Externe als CDO beauftragte?
Für die Besetzung der Stelle wurden zuerst interne Lösungen eruiert. Dabei sollten jedoch nicht bestehende Stellen einfach erweitert werden, um eine Überforderung zu vermeiden. Zudem setzte sich die Erkenntnis schnell durch, dass die mit der Position verbundenen Aufgaben zu vielfältig und zeitintensiv waren, um diese zusätzlich zu übernehmen. Daher wurde die Stelle als CDO ausgeschrieben. Leider war die Stellenausschreibung nicht erfolgreich, sodass sich der Landkreis nach einer alternativen Lösung umschauen musste.
Das Ergebnis war ein Testmodell: die Aufgaben der/des CDO wurden als befristeter Auftrag von Januar 2020 bis Ende 2022 ausgeschrieben. Beauftragt wurde Sabine Griebsch, die selbst Digitalunternehmerin ist und bereits Erfahrungen in der Verwaltung sammeln konnte. Die Stelle des CDO wurde im Landkreis Anhalt-Bitterfeld also extern besetzt. Ein Modell, das auch für andere Kommunen interessant sein könnte, wenn andere Alternativen vorübergehend weniger erfolgversprechend sind, die Chancen der Digitalisierung aber genutzt werden sollen. Klar ist aber auch im Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Die externe Beauftragung stellt eine Übergangslösung dar. Ziel ist es, die Funktion des CDO ab 2023 als Stabsstelle dauerhaft zu implementieren.
Aufgrund des Querschnittscharakters der Digitalisierung ist die Funktion des CDO heute im Amt für zentrale Steuerung und Recht verankert. Dieses verknüpft bereits weitere Querschnittsthemen der Verwaltung. Zwei Arbeitsschwerpunkte verfolgt Sabine Griebsch als CDO: Zum einen die Binnendigitalisierung und die Umsetzung des OZG. „Hier haben wir einen klaren gesetzlichen Auftrag, den wir auch umsetzen müssen“, sagt Frau Griebsch. Dafür hat sie sich zuerst einmal einen umfassenden Überblick über Infrastrukturen, Prozesse und den Stand der Digitalisierungsmaßnahmen verschafft. Auf dieser Grundlage werden die weiteren Umsetzungsschritte priorisiert und koordiniert. Neben der verwaltungsinternen Digitalisierung stehen die Strategieentwicklung und die Initiierung von Digitalprojekten, die über die Verwaltungsgrenzen hinausreichen. Das Ziel sind digitale Dienste und Lösungen für den Landkreis. Hierfür ist die Einbindung zahlreicher Landkreisakteure notwendig. Der Fokus liegt dabei auf dem Auf- und Ausbau von Netzwerken in der Verwaltung selbst und in den Landkreis hinein, um möglichst viele Perspektiven und Ideen in die Entwicklung von digitalen Anwendungen einzubeziehen und eine hohe Akzeptanz bei Anwender*innen und Nutzer*innen zu erzielen. Ein von Frau Griebsch etabliertes Netzwerkformat ist beispielsweise das „digitale Frühstück“, das einen ungezwungenen Austausch zu digitalen Themen ermöglicht.
Die Ausübung der Funktion des CDO als Externe hat dabei einige Vorteile, wie Frau Griebsch ausführt: „Intern werde ich vor allem auch als Dienstleisterin wahrgenommen, die bei der Entwicklung und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten und -maßnahmen unterstützt. Als Externe habe ich da natürlich den Vorteil, dass ich nicht an die klassischen hierarchischen Strukturen gebunden bin. Darüber hinaus möchte ich zusätzliche Impulse geben, wie Digitalisierung weitergedacht werden kann. Ein wichtiges Stichwort sind hier die Smart City-Konzepte. Künstliche Intelligenz, IoT und Sensorik können auch im Landkreis große Mehrwerte bieten. Dafür braucht es viele weitere Akteure, die wir gern in unsere weitere Digitalisierungsvorhaben einbinden möchten.“ Zu diesen Akteuren zählen u. a. die Unternehmen im Landkreis, die Hochschule Anhalt und natürlich die Zivilgesellschaft. Vom Landkreis können wiederum Impulse und Angebote für kreisangehörige Kommunen ausgehen. Als Digitalunternehmerin möchte Sabine Griebsch zudem auch neue Impulse in die Verwaltung hineingeben. Eines ihrer Herzensthemen betrifft Open Data. „Die Nutzung offener Daten bringt in vielfältiger Hinsicht Vorteile für die Verwaltung, aber auch Unternehmen und die Bürger*innen. Wir können damit mehr Transparenz auf der einen Seiten, aber auch neue Dienste und Geschäftsmodelle auf der anderen Seite entwickeln. Der Schlüssel liegt hierbei in der Zusammenarbeit und Kommunikation. Denn Digitalisierung ist keine Einbahnstraße und die guten Lösungen entstehen meist im Zusammenspiel mehrerer Akteure. Open Data bietet hier einen sehr guten Ansatz und weitreichende Potenziale“, führt Griebsch aus.
Bisher – so scheint es – geht das Testmodell des Landkreises Anhalt-Bitterfeld gut auf und die Digitalisierung kann auf diese Weise vorangetrieben werden. Langfristig soll die Stelle dennoch dauerhaft besetzt und direkt in der Verwaltung verankert werden.
„Ich arbeite nicht für jeden, ich arbeite für alle und das finde ich hochgradig spannend.“ (Sabine Griebsch, CDO, Landkreis Anhalt-Bitterfeld)
Autor des Beitrags ist Paul Braunsdorf.