Die Veränderungen bei der digitalen Transformation gehen mit Herausforderungen und Hürden einher. Allein sind die Kommunen dabei nicht: Übergreifend werden dieselben Bereiche mit deutlicher Mehrheit identifiziert! Als größte Herausforderung wird von 86 % der Kommunen der Aufbau der notwendigen Kompetenzen beschrieben (siehe Abbildung 5), ein zentrales Thema, das sich weiter unten bei der Einschätzung der Hürden noch einmal widerspiegelt (siehe Abbildung 6, S. 19). Dicht darauf folgen die Einbindung und Kommunikation der unterschiedlichen Fachbereiche in Digitalisierungsfragen, die hierarchie- und ebenenübergreifende Zusammenarbeit sowie die Etablierung klarer Strukturen. Die Schaffung entsprechender Verantwortlichkeiten wird im Bereich der Binnendigitalisierung als herausfordernder angesehen als im Bereich der digitalen Daseinsvorsorge. In dieser Einschätzung spiegeln sich der derzeitige Fokus auf die Binnendigitalisierung und eine gewisse Unsicherheit in Tragweite und Ausgestaltung der digitalen Daseinsvorsorge wider.
Wunsch nach klaren Strukturen für die digitale Transformation
Der Wunsch nach klaren Strukturen, Verantwortlichkeiten und Prozessen ist bei 80 % der Befragten in Bezug auf die Binnendigitalisierung sehr groß bzw. groß. 67 % sehen das ähnlich im Hinblick auf die digitale Daseinsvorsorge (siehe Abbildung 5). Wichtig ist dabei: Klare Strukturen bedeuten in diesem Fall nicht mehr Hierarchie, wie es kulturhistorisch von der Verwaltung lange verstanden wurde. Klare Strukturen bedeuten feste Rollenzuschreibungen, organisierte Schnittstellen, Abstimmungskoordination und ein Verständnis des individuellen Gestaltungsspielraums. Die hierarchie- und fachübergreifende Zusammenarbeit, die Kommunikation nach innen und außen sowie die Bündelung verschiedener Maßnahmen zu einer Gesamtstrategie hängen eng mit den zuvor beschriebenen Herausforderungen zusammen. Durch klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und eine Zusammenarbeitskultur können Potenziale gehoben werden, weil verschiedene Themenfelder und Herausforderungen zusammengedacht und verknüpfend betrachtet werden. Die Einbindung der verschiedenen Fachbereiche und die interdisziplinäre Arbeit in (Digitalisierungs-)Projekten unterstützen dabei auch den Auf- und Ausbau dringend benötigter digitaler Kompetenzen. Denn damit die digitale Transformation gelingt, braucht es das Zusammenspiel mit der Fachlichkeit. Dort sitzt für die jeweiligen Themen hochqualifiziertes Personal, das durch den Ausbau von digitalen Kompetenzen das Know-how vereinen und anwenden kann.
Abb. 5: In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen für Organisationsstrukturen und Prozesse? (n=Anteil der Teilnehmenden; Werte in Prozent)
Kommunikation und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung
Die Kommunikation ist ein zentrales Thema und ein Bereich mit vielfältigen Aufgaben. Die Kommunikation nach innen und außen bewerten daher über 70 % als (sehr) große Herausforderung. Wenn es um die konkrete Einbindung der Fach- und Sachgebiete in Digitalisierungsfragen geht, steigt der Anteil gar auf 81 % der befragten Kommunen. Klar ist: Digitalisierung ist ohne fachlichen Bezug nicht zu gestalten. Die Kommunikation mit den Fach- und Sachgebieten ist zwingend erforderlich. Sie sollte frühzeitig erfolgen, auf Dauer angelegt sein und aktive Beteiligung einschließen. Die Erfahrung zeigt immer noch häufig, dass die Fachbereiche zu spät oder nicht umfassend involviert werden. Das kann zu Reibungsverlusten führen. Beständige Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Fachbereichen sind somit von zentraler Bedeutung – nicht nur bei der Strategieerstellung, sondern insbesondere auch bei der Umsetzung von Maßnahmen. Organisatorische Lösungen wie die Etablierung von Digitallotsinnen und -lotsen unterstützen die Zusammenarbeit nachhaltig. Gleichzeitig fördern sie den Kompetenzaufbau in der Breite der Verwaltung – das zentrale Thema bei der Gestaltung der digitalen Transformation.
Abb. 6: Worin bestehen Ihrer Ansicht nach die größten Hürden für die organisatorische Umsetzung des Querschnittsthemas Digitalisierung in Deutschlands Kommunen? (n=Anteil der Teilnehmenden; Werte in Prozent)
Personelle Ressourcen, Veränderungsbereitschaft und fehlende Kompetenzen als zentrale Hürden
Die digitale Transformation braucht gutes Personal. Andernfalls können auch die besten Strukturen nicht mit Leben gefüllt und Strategien umgesetzt werden. Wenig überraschend spiegelt sich das auch in der Bewertung der Hürden für die organisatorische Umsetzung des Querschnittsthemas wider. 84 % der Kommunen bewerten die unzureichende Personalausstattung für die Digitalisierung und 81 % fehlende Kapazitäten zur Umsetzung organisatorischer Konzepte und begleitender Veränderungsprozesse als Hürden (siehe Abbildung 6). Die Dynamik der Digitalisierung sowie fehlende Haushaltsmittel, um benötigte Stellen zu schaffen, kommen erschwerend hinzu. Die dezentrale Verteilung der Verantwortung auf mehrere Ämter und Abteilungen, die fehlende Veränderungsbereitschaft der Verwaltung insgesamt und in den Fachbereichen sowie fehlende Kompetenzen für die strategische und operative Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen und Prozessen werden von der Mehrheit als weitere Hürden betrachtet. Kurz zusammengefasst: Die Kommunen müssen mit deutlich begrenzten Kapazitäten die digitale Transformation angehen. Kann das gelingen?
Gute Beispiele aus der Praxis zeigen: Ja! Erstens mit klaren Verantwortlichkeiten und einem hohen Maß an Gestaltungswillen. Zweitens mit einer klaren strategischen Ausrichtung, womit sich der Kreis zu Kapitel 2 schließt. Denn mithilfe der Strategien lassen sich Ziele und Maßnahmen so definieren, dass diese auch realistisch erreichbar sind. Bei knappen Ressourcen hilft drittens die transparente Einbindung der verschiedenen Akteure innerhalb und außerhalb der Verwaltung. Hier besteht ein oft noch unausgeschöpftes Potenzial, wie die beiden folgenden Kapitel zeigen.
„Jede Kommune muss ihre passende Governance finden: Wir in Menden sind bewusst mit schlanken Strukturen gestartet und greifen (anstelle eines gesonderten Boards) auf bestehende Gremien wie z.B. den Digitalausschuss zurück. Schritt für Schritt sehen wir dann, wie viel Struktur wir zusätzlich brauchen. Die Wege zwischen kommunalen Akteuren in Menden sind kurz und vernetzt – das ist unser Vorteil.“
Robin Eisbach, Geschäftsführer mendigital GmbH
„Angesichts der personellen Herausforderungen empfehle ich Verwaltungen eine stärkere Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen: Einerseits, um Studierende auf die Attraktivität des öffentlichen Sektors aufmerksam zu machen, um dadurch bspw. freie Stellen besser besetzen zu können. Andererseits aber auch, um aktuelle Themen der Verwaltungsmodernisierung, Smart City / Smart Region und der digitalen Transformation in aktuelle Studiengangspläne mit einfließen zu lassen. Auf diese Weise kann es uns gelingen, zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszubilden, die nicht nur bestehendes Wissen erwerben, sondern auch dieses kritisch zu hinterfragen lernen, die neue Ideen einfließen lassen und Innovationen vorantreiben.“
Dr. Kristina Lemmer, Chief Digital Officer beim Landkreis Lüneburg, affiliierte Post-Doc am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Gastwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte an der Leuphana Universität Lüneburg und der Hochschule Bremen
„Digitale Daseinsvorsorge ist momentan noch gar nicht leistbar für das Gros der Kommunen – so traurig das auch ist.“
Jasmin Herborn, Digitalisierungsbeauftragte der Stadt Eltville am Rhein
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