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Richtig organisiert? So stellen sich Deutschlands Kommunen für die digitale Transformation auf

Trendreport Digitaler Staat

Ausgabe 2022

Wo steht die Verwaltungsdigitalisierung im Jahr 2022?

Wir alle wünschen uns eine hohe Lebensqualität in den Städten, Gemeinden und Kreisen, in denen wir leben und arbeiten. Deutschlands Kommunen müssen daher ein breites Spektrum an Handlungsbereichen der Daseinsvorsorge bearbeiten – von der Verwaltung selbst über Mobilität, Wirtschaft, Bildung, Gesundheitsversorgung bis hin zu Kultur und Teilhabe.

Die digitale Transformation eröffnet hierbei vielfältige neue Möglichkeiten. Mit den Möglichkeiten steigen häufig auch die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen. Digitale Lösungen und Angebote sollen Herausforderungen vor Ort lösen und dabei einfach, intuitiv und schnell nutzbar sein. Das gelingt nicht von allein und auch nicht von heute auf morgen. Es braucht Strukturen und Verantwortlichkeiten, um den Prozess der digitalen Transformation zu gestalten.

Diesem Schwerpunkt widmet sich der Trendreport unter dem Titel „Richtig organisiert? So stellen sich Deutschlands Kommunen für die digitale Transformation auf.“

Dafür haben wir mit Unterstützung des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städtetages eine deutschlandweite Befragung bei den Kommunen durchgeführt. Denn bisher mangelte es an einer systematischen Gesamtschau, welche Organisationsstrukturen sich in den Kommunen herausgebildet haben.

Dabei haben wir sowohl die Verwaltungsdigitalisierung als auch die digitale Daseinsvorsorge – also die Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions – in den Blick genommen. Der Trendreport gibt umfassende Einblicke…

…wie sich Kommunen bei der digitalen Transformation strategisch aufstellen,

…welche Strukturen und Verantwortlichkeiten für die digitale Transformation etabliert wurden,

…in Herausforderungen und Hürden der Digitalisierung in den Kommunen,

…in die Einbindung weiterer Akteure bei der Entwicklung digitaler Lösungen und Angebote,

…in die Zusammenarbeit zwischen Kommunen bei der digitalen Transformation.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine interessante und anregende Lektüre. Wir hoffen, Ihnen die eine oder andere Anregung für die (Weiter-)Entwicklung der Organisationsstrukturen für die digitale Transformation geben zu können.

Dr. Axel Seidel, Partner und COO, Prognos AG

Dr. Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin und CDO, Behörden Spiegel

Grußwort des Deutschen Landkreistages

Die durch die Digitalisierung im Handeln der Landkreise, Städte und Gemeinden erforderlichen Veränderungen sind vielfältig – unabhängig davon, ob die Digitalisierung der Verwaltung selbst oder die kommunal erbrachte Daseinsvorsorge bspw. bei der Digitalisierung im Verkehr, der Gesundheit, der Bildung, der Kultur oder der Umwelt in den Blick genommen wird. Eine wichtige Voraussetzung ist diesbezüglich auch die Steuerung und konkrete Umsetzung der Digitalisierung in den 294 Landkreisen selbst. Dass es sich hier um eine fach-(bereichs-)übergreifende Querschnittsaufgabe handelt, ist augenfällig.

Die Landkreise haben bereits in der Vergangenheit immer wieder nachgewiesen, dass sie zu schnellen wie gleichzeitig strukturellen Organisationsanpassungen imstande sind. So haben sie beispielsweise im Zuge der Flüchtlingszuwanderung 2015 Migrationszentren geschaffen, die die Aufgaben der Ausländerbehörden, der Kinder- und Jugendhilfe, der Gesundheitsämter wie der Sozialbehörden gebündelt haben. Genauso schnell und flexibel haben sie bei der Bewältigung der Corona-Pandemie die umfassenden, weit über die Gesundheitsämter herausragenden Stabs- und Organisationsstrukturen etabliert. Der Deutsche Landkreistag hat deshalb den Trendreport „Digitaler Staat 2022“ von Prognos und Behörden Spiegel zu den Strategien, Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten bei der kommunalen Gestaltung der Digitalisierung gern unterstützt.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Landkreise ihre Strukturen und Zuständigkeiten für die digitale Veränderung weiter anpassen, der Fokus bei den Landkreisen aktuell dabei noch stärker bei der Binnendigitalisierung denn bei der digitalen Daseinsvorsorge liegt. Gerade in den ländlichen Räumen, die mit Blick auf die flächendeckende Verbreitung digitaler Lösungen in Deutschland noch viel stärker als smarte LandRegionen in den Blick genommen werden müssen, besteht ein hohes Potenzial und großer Bedarf an interkommunaler Zusammenarbeit. Die Landkreise können Lösungen für und mit den Gemeinden befördern. Hier wichtige Erkenntnisse zum aktuellen Sachstand zu liefern, ist das Verdienst des Trendreports 2022.

Dr. Kay Ruge, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages (Foto: FA WindFachagentur Windenergie an Land)

Grußwort des Deutschen Städtetags

Culture eats Strategy for Breakfast. Das berühmte Zitat des Ökonomen Peter Drucker passt auch zur digitalen Transformation in unseren Städten. Es braucht Strategien, die aus einem gemeinsamen Verständnis einer digitalen Stadt entstehen. Sie geben die Richtung vor, bieten Orientierung und sind Gradmesser in der Umsetzung. Strategien allein helfen uns jedoch nicht. Für das Gestalten digitaler Städte müssen wir immer wieder außerhalb der Grenzen der eigenen Fachlichkeit denken.  Nur so sehen wir die Querbezüge zwischen den verschiedenen Themen und meistern die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen. Das zeigt auch der Trendreport: Organisationsstrukturen müssen einer digitalen, komplexeren und schnelleren Welt angepasst werden. Es gibt dabei nicht den Königsweg und der Weg ist nicht für immer festgeschrieben.

Die digitale Transformation fordert unsere Strukturen heraus, weil sie eine andere Kultur erfordert. Wir brauchen mehr Kooperation, mehr Austausch zwischen verschiedenen Akteuren. Es muss und darf ausprobiert werden. Der Weg abseits bekannter Pfade hält Erkenntnisse und Lösungen bereit. Dieser Wandel im Denken und Handeln findet in den Kommunen bereits statt. Wir sind auf einem guten Weg, den wir konsequent weiter gehen müssen.

Die vorliegende Befragung zeigt allerdings auch, dass die digitale Stadt nicht allein auf gute Ideen und die passende Einstellung gebaut werden kann. Es braucht Ressourcen. Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, Kompetenzen aufzubauen und qualifiziertes Personal zu gewinnen. Digitalisierung kostet Geld. Deshalb ist eine strukturell auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen unabdingbar. Auch nachhaltige Förderprogramme gehören dazu.

Digitalisierung in Kommunen ist kein Zustand, sondern ein stetiger Prozess. Den Weg können wir nur gemeinsam gehen.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages (Foto: Laurence Chaperon)

Zusammenfassung und Ausblick

Die deutschlandweite Befragung im Rahmen dieses Trendreports hat deutlich gezeigt, dass sich die Kommunen auf den Weg gemacht haben, die digitale Transformation zu gestalten. Sie schaffen dafür in großen Teilen die strategischen Grundlagen und entwickeln Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten weiter. Fünf zentrale Ergebnisse sollen hier noch einmal herausgehoben werden:

Der Schwerpunkt der Gestaltung der digitalen Transformation liegt bei vielen Kommunen – insbesondere bei Kreisen und kreisangehörigen Städten und Gemeinden – noch auf Binnen- bzw. Verwaltungsdigitalisierung.

Bei der Gestaltung der digitalen Daseinsvorsorge gehen kreisfreie Städte klar voran. Das spiegelt sich sowohl in der Erstellung strategischer Konzepte als auch in den Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten wider. Aber: Kreise und kreisangehörige Städte folgen nach.

Es gibt nicht die eine Organisationsstruktur für die Gestaltung der digitalen Transformation. Es haben sich jedoch unterschiedliche Formen und Rollen etabliert. Zentral ist die Unterstützung durch die Hausspitze/politische Leitung. Zudem werden CDOs, CIOs, Digitallotsinnen und -lotsen, eigene Fachämter und Stabsstellen als sinnvolle organisatorische Lösungen bewertet. Eigene Digitalagenturen werden als weniger sinnvoll eingeordnet.

Personalkapazitäten und der Auf- bzw. Ausbau von Kompetenzen für die Gestaltung der digitalen Transformation stellen zentrale Herausforderungen und Hürden dar.

Der Bedarf und das Potenzial der interkommunalen Zusammenarbeit sind sehr hoch, letzteres wird bisher aber nur ansatzweise ausgeschöpft. Der Wunsch nach Austausch- und Zusammenarbeitsformaten ist groß. Mehrwerte werden insbesondere in einem regelmäßigen Austausch, in neuen Impulsen, Standardisierung, dem Teilen von Ressourcen und dem Kompetenzaufbau gesehen.

Aufbauend auf diesen zentralen Ergebnissen lassen sich die folgenden Aspekte für die weitere Ausgestaltung der digitalen Transformation hervorheben. Die Gestaltung der digitalen Transformation  erfolgt also nicht unorganisiert.

Gestaltungswillen der kommunalen Akteure zentral

Die personellen und finanziellen Ressourcen für die Gestaltung der digitalen Transformation werden in den meisten Kommunen auch in den nächsten Jahren begrenzt sein. Die Erfahrung zeigt zudem, dass unvorhergesehene Ereignisse die angespannte Ressourcensituation noch verschärfen. Daher kommt es insbesondere auf den Gestaltungswillen und den richtigen Einsatz der begrenzten Ressourcen an.

Strategien geben Orientierung

Strategien und Konzepte sind kein Selbstzweck und sollten auch nicht als „Papiere für die Schublade“ gelten. Als lebendige Dokumente entwickelt, die regelmäßig an die Dynamik der Digitalisierung angepasst werden, bieten sie eine gute Orientierung für die Gestaltung der digitalen Transformation. Das bedeutet, realistische Ziele zu setzen und Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die mit den vorhandenen Ressourcen sinnvoll umzusetzen sind. In der Praxis zeigt sich, dass oft bereits gute Ansätze und Konzepte bestehen. Auf diesen sollte mit dem Ziel der Entwicklung integrierter Strategien aufgebaut werden. Ein fortlaufendes Monitoring und eine begleitende Evaluation unterstützen den Umsetzungs- und Weiterentwicklungsprozess.

Prozess der Organisationsentwicklung weiter gestalten

Aufgrund der hohen Dynamik der digitalen Transformation wird es erforderlich sein, bestehende Organisationsstrukturen, Verantwortlichkeiten und Prozesse weiterzuentwickeln. Die eine optimale Lösung gibt es dabei (leider) nicht. Für das „richtige Maß“ sollten drei Aspekte berücksichtigt werden: 1. Die Gestaltung der digitalen Transformation muss dauerhaft verankert werden. 2. Die Organisationsentwicklung muss an gewachsene Strukturen anschlussfähig sein. 3. Die Organisationsentwicklung muss alle Verwaltungsbereiche und Hierarchieebenen auch organisatorisch mitnehmen.

Digitale Transformation gemeinsam gestalten

Große Aufgaben können gemeinsam besser bewältigt werden. Das schafft Synergien, schont Ressourcen und unterstützt den Kompetenzaufbau. Die Zusammenarbeit sollte daher verwaltungsintern, interkommunal und mit allen Akteuren im kommunalen Ökosystem intensiviert werden. Diese Aktivitäten müssen koordiniert und gesteuert werden, womit sich der Kreis zur Organisationsentwicklung schließt. Bei der Besetzung von verantwortlichen Stellen wie CDOs sollten Kommunen insbesondere auch auf Kompetenzen der Netzwerk- und Kommunikationsfähigkeit, des Projektmanagements und der lateralen Führung achten.

Erfahrungen kommunizieren und nutzen

Die Kommunen machen auf ihrem Weg der Digitalisierung bereits unterschiedliche Erfahrungen. Der Austausch dieser Erfahrungswerte hilft, besser voranzukommen, gerade wenn Ressourcen knapp sind. Netzwerke mit Veranstaltungen und Unterstützungsleistungen entwickeln sich auch im Kontext der Förderprogramme und deren wissenschaftlicher Begleitung laufend weiter. Kommunen sollten diese aktiv für ihre Gestaltung der digitalen Transformation nutzen.

Studiendesign

Die dem Trendreport zugrunde liegenden Daten entstammen einer deutschlandweiten Kurzstudie, die Prognos in Abstimmung mit dem Behörden Spiegel und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages und des Deutschen Landkreistages durchgeführt hat. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag wurden von Beginn an in das Projekt eingebunden. 

Die abgestimmte Befragung wurde mithilfe von LimeSurvey als Online-Erhebung umgesetzt. Auf Nachfrage erhielten die Kommunen einen Excel-basierten, druckbaren Fragebogen für interne Abstimmungsprozesse. Der Befragungszeitraum erstreckte sich von März bis Mai 2022. Die Ansprache der Kommunen mit der Bitte um Mitwirkung erfolgte durch den Deutschen Städtetag und den Deutschen Landkreistag. Die Befragung richtete sich insbesondere an die Verantwortlichen für strategische Steuerung, Digitalisierung und Organisation der Kommunen.

Anschließend wurden die Daten durch Prognos ausgewertet und gemeinsam mit dem Behörden Spiegel für die Studie aufbereitet. Ergänzend zur quantitativen Datenerhebung wurden zwischen Juni und August 2022 qualitative Fachgespräche mit ausgewählten Praktikerinnen und Praktikern aus den Kommunen sowie dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag geführt, um die Ergebnisse nochmals einzuordnen.

 

Die Trendreports 2016-2020

2020
2019
2018
2017
2016

Das Autorenteam der Prognos AG

Matthias Canzler, Projektleiter Management-beratung, Prognos AG (Foto: Koroll)
Franziska Stader, Beraterin Management-beratung, Prognos AG (Foto: Koroll)
Joanna Hüffelmann, Beraterin, Managementberatung, Prognos AG (Foto: Koroll)

Projektbegleitung Behörden Spiegel

Dr. Eva-Charlotte Proll, Mitglied der Geschäftsleitung
Guido Gehrt, Leiter der Bonner Redaktion