
Jörn Riedel, Chief Information Officer (CIO) der Hansestadt Hamburg, ist ein starker Verfechter des „Einer für Alle-Prinzips“ (EfA).
Digitale Ummeldung nach dem EfA-Prinzip
Das Motto „Einer für Alle“ (EfA) ist mittlerweile nicht nur durch die drei Musketiere, sondern auch als Grundprinzip für die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bekannt. Ein starker Verfechter dieses Prinzips ist Jörn Riedel, der Chief Information Officer (CIO) der Hansestadt Hamburg. Das Bundesland Hamburg hat sich bereits vor dem OZG bei der länderübergreifenden Digitalisierung von Verwaltungsleistungen engagiert. Ein besonders wirkungsvolles Beispiel ist die digitale An- oder Ummeldung des Wohnsitzes.
Mit ca. acht bis 10 Millionen Ummeldungen pro Jahr gehört der Meldevorgang nach einem Wohnungswechsel zu einem der häufigsten Behördengänge in Deutschland. Wer den Woh-nort wechselt hat zwei Wochen Zeit für eine Ummeldung, doch häufig ist erst Wochen später ein Termin auf dem Bürgeramt frei. Entsprechend groß ist der Gewinn für Bürgerinnen und Bürger, wie auch für die Verwaltungen, wenn es gelingt, den Prozess durch einen elektronischen Vorgang zu vereinfachen und die Ummeldung „vom Sofa in der neuen Wohnung aus“ zu ermöglichen.
Mehrere Hürden erfolgreich aus dem Weg geräumt
Um die digitale Ummeldung auf den Weg zu bringen, mussten einige technische und rechtliche Hürden bewältigt und gewohnte Pfade verlassen werden: Im Bürgeramt wird bei einer Ummeldung auch der Personalausweis auf den neuesten Stand gebracht: Hierzu wird auf der Rückseite ein Aufkleber mit der neuen Adresse über die alte geklebt und mit einem „Feuchtsiegel“, einem Stempel mit dem Siegel der Kommune versehen. Im Online-Verfahren sollen die Bürgerinnen und Bürger das neue Adressetikett von einer zentralen Stelle per Post zugesendet bekommen. Derzeit arbeitet das BMI an einer Lösung, dass es auch ohne Siegel der Kommune gültig ist.
Eine weitere Herausforderung ist die Adressänderung auf dem Chip im Personalausweis. Während auch diese Daten auf dem Bürgeramt ohne weiteres aktualisiert werden können, können Bürgerinnen und Bürger die Adressdaten ohne ein hoheitliches Berechtigungszertifikat nicht selbst ändern. Doch auch hier zeichnet sich eine technische Lösung über die AusweisApp2 auf dem Smartphone ab: Das BMI, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und die IT-Dienstleister Governikus und Dataport arbeiten daran, dass Bürgerinnen und Bürger über die NFC Schnittstelle ihres Smartphones zusätzlich einen schreibenden Zugriff bekommen.
Im Digitallabor die entscheidenden Personen zusammen zu bringen
Drei Dinge sind wichtig, betont Jörn Riedel: „Die richtigen Personen zusammenbringen, diese Personen für die gemeinsame Sache begeistern und mit einer straffen Projektleitung rasch Fortschritte erzielen. Dann werden auch scheinbare unüberwindbare Hürde gemeistert.“
Als Erfolgsfaktor hat sich hier das Digitallabor erwiesen: Von Anfang an, waren alle relevan-ten Akteure in die Umsetzung einbezogen. Am Digitallabor „Ummelden“ waren das BMI, mehrere Bundesländer, Kommunen, die Polizei, das Hotelgewerbe (Meldeschein!), Banken, Bürgerinnen und Bürger und IT-Experten beteiligt. Es herrschte von Beginn an die Motivati-on, die Idee auch gegen die erwartbaren technischen und rechtlichen Widerstände zum Erfolg zu bringen. Die Mitwirkenden trieben die Aufgabe nicht nur voran, weil sie es sollten, sondern weil sie vollumfänglich hinter dem Ziel standen.
Gerade beim Datenschutz konnten viele Fragen, deren Beantwortung im üblichen Ablauf wahrscheinlich Monate gedauert hätte, durch die Mitglieder des Digitallabors schon früh an-gegangen, diskutiert und bewertet werden. Entsprechend der Expertise konnten „auf sehr kur-zem Dienstweg“ Fragen auf den Weg gebracht und für Klärung gesorgt werden. Das gemeinsame Lösen von Fragen, bevor diese überhaupt gestellt werden müssten, beschleunigte auch den politischen Prozess.
Bevor das Pilotprojekt noch in diesem Jahr in Hamburg in die Umsetzung gehen kann, sind noch einige gesetzliche Änderungen, bspw. am Personalausweisgesetz notwendig, beispiels-weise um das selbstständige Anbringen des Aufklebers und den schreibenden Zugriff der AusweisApp2 zu erlauben. Doch da das BMI von Anfang an im Digitallabor mitgewirkt hat, können auch diese Änderungen mit der notwendigen Dringlichkeit auf den Weg gebracht werden.
Einsparungspotenziale durch gemeinsame Lösungen
Eine Beispielrechnung der digitalen Ummeldung zeigt auch, dass sich zentrale Lösungen auch auf finanzieller Ebene lohnen. Wenn eine Stadt mit ca. 300.000 Einwohner eine Nutzungsquo-te dieser Anwendung von 50 Prozent erreichen, würden Fallkosten von ca. 40 Euro für die IT-Anwendung entstehen. Ausgehend von ca. acht Millionen Ummeldungen des Wohnsitzes im Jahr in Deutschland auf ca. 20 Cent (plus Porto) reduzieren lassen – auch hier eine Nutzungsquote von 50 Prozent unterstellt. Hinzu tritt dann als wirtschaftliche Vorteil für die Kommunen noch der Wegfall des manuellen Aufwandes. Diese finanziellen Einsparungspotenziale beschreibt auch Jörn Riedel als einen wichtigen Schlüssel für den Erfolg von EfA-Anwendungen für die Verwaltungsdigitalisierung. Letztendlich stünden die Entscheidenden bei der Abwägung von Entscheidungen über digitale Dienste immer vor derselben Frage: „Kann ich eine Lösung einkaufen, die meine Bedürfnisse erfüllt, aber günstiger ist, als wenn ich es selbst mache“. Insofern lebt der Erfolg von EfA auch von der transparenten Darstellung von Mehrwerten und attraktiven Finanzierungsmodellen für Anbieter und Nutzer.
Hamburg will den Dienst nach dem „Einer für Alle“-Prinzip ab Mitte 2022 pilotieren und anschließend allen anderen Kommunen zur Verfügung stellen. Bereits in der ersten Jahreshälfte soll eine Umsetzungsallianz der interessierten Länder und Kommunen zum ersten Mal tagen.
Autor des Beitrags ist Marcel Hölterhoff.
