Der Universalprozess – ein Schnellbaukasten für digitale Dienste
Mit dem Universalprozess bietet das Land Baden-Württemberg seinen Kommunen einen Schnellbaukasten zur Digitalisierung von Antragsverfahren und Verwaltungsprozessen. Der Universalprozess überwindet gleich zwei Hürden: Zum einen beweist er, wie auch in einer Behörde eine innovative Idee „bottom up“ in kürzester Zeit realisiert werden kann, zum anderen zeigt er, wie mit einer Doppelstrategie die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) deutlich beschleunigt werden kann.
Im Frühjahr 2020 mussten auch in Baden-Württemberg im Zuge der Corona-Pandemie die Bürgerbüros geschlossen werden. In vielen Kommunen konnten die meisten Bürgerdienste auf einen Schlag nicht mehr in Anspruch genommen werden. Angesichts dieser besonderen Situation hatten zwei Referenten im Innenministerium des Landes eine rettende Idee. Camilo Fautz und Marius Herr wussten, dass mit der Basisplattform des Landes die technischen Grundlagen gelegt waren, um Online-Dienste schnell in der Fläche verfügbar zu machen. Warum nicht den Kommunen eine Lösung anbieten, mit der sie schnell Online-Formulare für verschiedenste Dienste entwickeln und online stellen können? Um diese Idee möglichst schnell an der richtigen Stelle zu wissen, klopften sie gleich an die Tür des CIOs Stefan Krebs, der immer ein offenes Ohr für innovative Ideen hat. „Ideen, die man schnell beschreiben kann, sind meistens die besten“, sagt Stefan Krebs. „Mir war schnell klar, dass darin eine große Chance liegt!“
Mit der Doppelstrategie schneller zum Erfolg
Ziel des Universalprozesses ist es, insbesondere die vielen „einfachen“ Anträge schnell digital und rechtssicher zu bewältigen. Die Lösung ist ein Baukastensystem zur Gestaltung von Online-Diensten, welches von den Kommunen selbständig genutzt werden kann.
Bei der nutzerfreundlichen Digitalisierung von Anträgen müssen sehr unterschiedliche Herausforderungen gemeistert werden. Zum einen gibt es komplexe Verwaltungsleistungen, die eine große Zahl an Daten abfragen. Um diese sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch die Verwaltungen nutzerfreundlich umzusetzen, bedarf es einer umfangreicheren Nutzerführung mit mehreren Entscheidungspunkten sowie Schnittstellen zu Registern und Fachverfahren. Zum anderen gibt es aber auch Anträge bspw. für einfache Genehmigungen, welche nur wenige Parameter erfordern und standardisierte Entscheidungen auslösen. Während die einen Verfahren aufgrund ihrer Komplexität nur mit höherem Aufwand digitalisierbar sind und teils spezifische Prozessanpassungen erfordern, bestehen die anderen aus relativ wenigen Prüfschritten und Informationsabfragen und sind daher leichter digital umsetzbar.
Mit dem Universalprozess können Behörden auf „service-bw“ schnell ausfüllbare und maschinenlesbare Web-Formulare erstellen und anbieten – und das ohne vertiefte IT- oder gar Programmierkenntnisse. Als Vorlage lassen sich beispielsweise bestehende Papier- oder PDF-Formulare nutzen. Ergänzt wird der Universalprozess durch verschiedene zuschaltbare Module, wie die Online-Ausweisfunktion oder eine E-Payment-Komponente, mit der bei der Antragstellung anfallende Gebühren direkt bezahlt werden können.
Parallel beteiligt sich das Land weiter am etablierten OZG-Vorgehen, bei dem im Sinne des EfA-Prinzips („Einer für alle“) und in Digitalisierungslaboren möglichst länderübergreifend nutzbare Online-Lösungen für Fachverfahren entwickelt werden. „Für komplexe Verwaltungsleistungen ist das der richtige Weg“, sagt Stefan Krebs, „aber für die Digitalisierung von weniger komplexen Verwaltungsleistungen dauert das EfA-Prinzip einfach zu lange.“ Mit seiner Doppelstrategie kommt Baden-Württemberg bei der OZG-Umsetzung schneller ans Ziel.
Digitalisierung mit dem Schnellbaukasten
Insgesamt wurden mit dem Universalprozess bereits mehr als 300 verschiedene Verwaltungsleistungen von den Kommunen in Baden-Württemberg digitalisiert. In Waiblingen kann man über den Universalprozess bspw. eine Baumfällgenehmigung beantragen. In Freiburg im Breisgau ist es der Platz in einer Kindertageseinrichtung, in der Landeshauptstadt Stuttgart lässt sich über ein Universalprozessformular zum Beispiel der Landesfamilienpass beantragen. Um vor Augen zu führen, wie einfach Kommunen den Universalprozess einsetzen können, hebt Stefan Krebs die Stadt Lauffen hervor. Dort hat innerhalb einer Woche ein einzelner Mitarbeiter eines Fachamtes ohne ausgewiesene IT-Expertise rund 160 Prozesse digitalisiert. Vergleichbare Erfolge gibt es in vielen anderen Kommunen Baden-Württembergs.
Mit dem Universalprozess hat sich laut Ministerium neben dem Standardprozess ein zweiter Weg eröffnet, um die Anforderungen des OZG schnell und effizient umzusetzen. Dieser ist auch außerhalb Baden-Württembergs nicht unbemerkt geblieben. Beim eGovernment Wettbewerb 2020 wurde der Universalprozess als „Bestes Projekt zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes 2020“ ausgezeichnet. Im Videointerview erläutern die Entwickler noch einmal, wie die Idee entstand und was den Erfolg des Universalprozesses ausmacht.
„Das Besondere am Universalprozess ist die organisatorische und soziale Innovation!“
Der Autor des Beitrag ist Marcel Hölterhoff.